Missing Links

Nach sechsjähriger Abwesenheit kehrt das Künstlerkollektiv frontviews aus Berlin zurück, um in Athen erneut Ausstellungen mit europäischen Künstler*innen zu realisieren – tatkräftig unterstützt von der lokalen Athener Community. In diesem Zeitraum hat sich die Achse Athen–Berlin als zentrales diskursives Modell für die bipolare Verdichtung jener Probleme herausgestellt, die das europäische Konstrukt gegenwärtig heimsuchen. Der Diskurs rund um Gegensätze und doppelte Bindungen – wie armer Süden – reicher Norden, gemeinsame Bedürfnisse – Sparpolitik, Staatseigentum – Privateigentum oder Demokratie – neoliberale Elite – hat nicht nur dazu beigetragen, diesen komplexen Notstand zu veranschaulichen, sondern auch Vorurteile verstärkt, Rollenbilder gefestigt und Klischees geformt. Eine distanzierte, als überlegen empfundene nördliche Perspektive dominierte sowohl das Narrativ als auch das Handeln der politischen Elite.
Gerade im kulturellen Diskurs aber ist es der Athener Kunstszene gelungen, eine veränderte, selbstbewusste Perspektive auf die eigene Situation zu etablieren und sich von der Festlegung durch die nördliche Sichtweise zu befreien. Dieses neue Selbstbewusstsein lässt sich vielleicht am besten im Slogan zusammenfassen: South as a State of Mind. 2017 kulminierte diese Entwicklung in der documenta 14, die unter dem Motto „Von Athen lernen“ gleichgewichtig in Athen und Kassel stattfand – ein außergewöhnlicher Versuch, dialektische Konfrontationen zu überwinden und eine dezentrale Solidarität zu praktizieren. Die guten Absichten der Kurator*innen zeigten sich unter anderem darin, dass sie die Inhalte des relevanten neuen Kunstmagazins South as a State of Mind in die offiziellen Publikationen der documenta einbezogen. Zugleich offenbarte dieses Beispiel aber auch die grundlegenden strukturellen Probleme eines solchen kulturellen Outsourcings.
Nun, im Jahr 2018 – als sei etwas Ruhe in die Beziehungen eingekehrt – stehen wir erneut an dem Punkt, über die aktuelle Situation zwischen den beiden Kunstszenen der Hauptstädte nachzudenken. Welche politischen Verflechtungen bestehen zwischen den Staaten, und wie wirken sie sich auf das Leben von Künstler:innen im jeweils anderen Land aus? Welche Themen dominieren derzeit die Städte? Anders gesagt: Gibt es Verbindungen zwischen der künstlerischen Produktion der beiden Szenen? Oder fehlen bereits zu viele dieser Verbindungen? Suchen wir heute womöglich mehr denn je nach solchen Anschlussmöglichkeiten? Könnte es sein, dass das überlegene double bind narrative an Bedeutung verloren hat und die kulturelle Klasse gar nicht mehr betrifft? Sind wir tatsächlich stärker verbunden, als wir denken, indem wir ein Künstlerleben führen, das mehr oder weniger von den Wohlstandsversprechen ausgeschlossen ist, die die neoliberale Klasse durchsetzt – ganz gleich ob Süden oder Norden?
Frontviews Berlin geht diesen Fragen mit der Ausstellung »Missing Links« nach, gehostet von Daily Lazy in Athen. Später im Jahr wird frontviews eine Ausstellung von Daily Lazy in Berlin zeigen. Indem wir einige Werke und ihre Urheber*innen zusammenbringen, wollen wir unsere Beziehungen auffrischen – von Angesicht zu Angesicht.